Die feuchte Erde in meinen Händen weckte das innere Kind in mir und ich begann den Erdklumpen zu einer runden Kugel zu formen. Meine Kindheit habe ich überwiegend im Sandkasten verbracht und die feinen Steine auf meiner Haut fühlten sich nun nach einer Zeitreise in die Vergangenheit an. Ich spürte, wie die hellen Sonnenstrahlen mein Gesicht erwärmten, obwohl ich nicht fähig war, dies zu erblicken.
Behutsam bettete ich den auserwählten Samen in der Erde ein, in der Hoffnung, den richtigen Platz für den zukünftigen Baum gewählt zu haben.
Bereits nach einer Woche konnte ich eine kühle Pflanzenstruktur an der Oberfläche erfühlen. Im ganzen Garten begann es Tag für Tag nach immer mehr frischen Blüten zu duften und ich hörte die ersten Bienen summen.
Am Dienstag stand dann ein entscheidender Termin für mich an, ich würde endlich von meinem Frauenarzt erfahren, ob ich schwanger sei. Niemals werde ich den Moment vergessen, wie ich auf der Liege lag und anfing zu zittern, während ich betete und, Gott erhörte meine Gebete, denn ich erfuhr, dass ein Lebewesen in mir heranwuchs. Ich fing an vor Freude zu weinen und die Tränen kitzelten mich am Hals. Mein größter Wunsch war es, mein eigenes Kind einmal erblicken zu können. Mein eigenes Kind, das hörte sich so surreal an.
Als ich mich auf den Nachhauseweg machte, ahnte ich noch nicht das Geringste. Dieser Tag sollte nicht bloß der schönste Tag in meinem Leben, sondern zeitgleich der schlimmste werden.
Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich durch eine abgelegene Gasse schritt. Als ich jemanden hinter mir her laufen hörte, er schrie: „Bleib doch stehen Maulwurf!“ Ich hörte weiteres Gelächter, mit einem heftigen Ziehen wurde mir mein Blindenstock entrissen und ich landete kurz darauf auf dem Boden, eingekesselt von einer Gruppe Jugendlicher.
Unter Schmerzen betäubt öffnete ich meine Augen zögernd, ich hörte Geräte um mich herum piepen und mein Mann hielt meine Hand. Kurz darauf erklärte er mir weinerlich, ich habe unser Kind verloren. Zu diesem Zeitpunkt konnte und wollte ich das nicht wahrhaben. Bis zum heutigen Tag macht er sich Vorwürfe, weil er mich nicht in die Praxis gebracht hatte.
Einige Tage vergingen und ich durfte endlich wieder nach Hause. Das Erste was ich dort tat, war meinen kleinen Sprössling zu besuchen. Freudig streckte ich meine Hand nach der Pflanze aus, doch was ich erfühlte, ließ es mir eiskalt den Rücken herunter laufen, es war trocken, spröde und zerfiel in meiner Hand zu Staub.
Text von Julia Emil, verfasst am 16.06.2019
Illustration von Shona Grabowitz
