„Fragt mir Löcher in den Bauch.“ So beginnt Dipl.-Ing. Carolina Schweig am Dienstagabend der vergangenen Woche ihren Vortrag zu nachhaltigen Verpackungskonzepten im Alzeyer Landeskunstgymnasium. Immer wieder wird sie im Laufe der Veranstaltung an die Neugier, Experimentierfreude und Möglichkeiten des Publikums, etwas zu verändern, appellieren. Sie spricht von der „Macht der Straße“, klärt über Nachhaltigkeitsmythen auf – und regt damit zum Nachdenken an.
Es sind nicht nur Schüler*innen, die kurz vor 19 Uhr in die Sporthalle strömen und hektisch ihren Namen in die Anwesenheitslisten eintragen. Auch Eltern und Lehrkräfte aus ganz verschiedenen Fachbereichen sind erschienen, um sich ein genaueres Bild davon zu machen, wie die Zukunft des Verpackungsdesigns aussehen könnte. Die Frage nach einer ökologischeren Gestaltung unserer alltäglichen Konsumgüter trifft den Nerv der Zeit. Eben deshalb zeigt sich auch Schulleiterin Frau Ried in ihren einleitenden Worten froh darüber, mit dem Einladen von Carolina Schweig einen wissenschaftlich fundierten Beitrag zur Nachhaltigkeitsdebatte in den Mittelpunkt gestellt zu haben. Es gehe nun endlich um die „belastbaren Fakten“ anstelle einer Argumentation „aus dem Bauch heraus“.

Über das junge Publikum freut sich Carolina Schweig und erzählt mit breitem Lächeln, wie sie zu ihrem Beruf als Verpackungsingenieurin gekommen ist. Experimente mit Nutella und das Problemfeld schmutzige Socken haben eine Rolle gespielt, führten zum ersten Chemiekasten in jungen Jahren und schließlich zu dem, was sie heute mit ihrem Team täglich macht: Unternehmen in Verpackungsfragen beraten.

Die Referentin aus Hamburg fühlt sich auf der kleinen Bühne in der Alzeyer Sporthalle sichtlich wohl – mit ausladender Gestik spricht sie über die Ökologie von Zellstoff, Biokunststoff, Aluminium. Dass es für Nachhaltigkeit keine einfache, schnelle Lösung gibt, wird dabei früh klar. Carolina Schweig erklärt dem Publikum, welche verschiedene Faktoren in die ökologische Nachhaltigkeit einer Verpackung einfließen, zeigt viele Folien mit komplizierten Grafiken. Der Haken: Die meisten Einflussfaktoren arbeiten gegeneinander. Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch, Gewicht der Verpackung, Bioabbaubarkeit – alles kann man nie berücksichtigen. Deshalb, so Schweig, sei es wichtig, Prioritäten zu setzen. Der entscheidende Punkt sei immer die Effizienz. Was steckt man in ein Produkt, was kommt dabei raus? Und: In welchem Bereich hat ein Unternehmen den größten Impact? Ihre Nachhaltigkeitskonzepte variieren daher von Projekt zu Projekt, den Ansatz entwickelt sie aus der Identität der Marke, mit der sie arbeitet. „Es gibt keine absolute, übergeordnete Nachhaltigkeit. […] Die Welt ist halt nicht schwarz-weiß.“
Schade. Schubladendenken ist so schön bequem. Wie gerne prangern wir Plastik als den Bösewicht an und lobpreisen Alternativen aus Papier. Das nennt Carolina Schweig eine Ökolüge. Da der in Europa für Papier verwendete Zellstoff zu 49% aus Südamerika stammt und mehr als die Hälfte davon aus Eukalyptus hergestellt wird, kann von Nachhaltigkeit kaum die Rede sein. Eukalyptusbäume wachsen zwar schnell, verbrauchen aber viel Wasser und laugen den Boden enorm aus. Vieles, was den Verbrauchern als umweltfreundlich angedreht wird, müsse aufmerksam hinterfragt werden, betont die Diplomingenieurin immer wieder.

Bei so viel Expertise und Fachbegriffen – MOSH, GHG, GRI-Bewertungsstrukturen – kommt man als Zuhörer*in nicht immer ganz mit. Definitiv hängen bleibt jedoch Folgendes: Die beste Verpackung ist keine Verpackung. Und wo Verpackungen unverzichtbar sind, ist Mehrweg der nachhaltigste Weg.
Abschließend führt Schweig auf eine Frage nach der Verantwortung der Unternehmen an, dass sie als Verpackungsberaterin auf die Macht der Konsumenten angewiesen sei. Durch Kaufkraft und Beschwerden müsse man die Firmen zwingen, nachhaltiger zu werden. Auch wenn viele Unternehmen deutlich mehr tun müssten, von selbst passiere das nicht. Sie ruft die Schüler*innen dazu auf, den Herstellern Mails zu schreiben und über Apps zu melden, wenn Produkte zu verpackungslastig scheinen. Das trifft sich gut, denn bekanntermaßen sind wir im Meckern immer noch am besten.
Als Dankeschön überreicht Frau Ried der Referentin zum Abschluss ein Präsent – und entschuldigt sich für dessen Verpackung. Mit der Aussage „ganz leise weinend drücke ich es Ihnen in die Hand“ erntet sie Lacher – schöner kann man einen Vortrag doch kaum beenden. Ökologischer vielleicht, aber nicht schöner.
Mia Luise Grützenbach über einen Vortrag aus der Reihe „Kunstportale – Alltag und Kunst“ | Fotos: Antoni Romanski