Sie saß nun schon einige Minuten an ihrem Schreibtisch, ratlos was sie in ihr Tagebuch schreiben solle. Vielleicht, dass sie noch keine Geschenke hat. Vielleicht, dass sie ihre Freunde nicht sehen kann. Vielleicht, dass sie dieses Jahr keine Plätzchen mit Oma backen konnte.

Zögernd entschied sie sich, zu schreiben: „Schneeflocken fallen, immer weiter weg.“

Skeptisch von ihrem Tagebucheintrag entschied sie sich, einen Tee zu trinken um auf Ideen zu kommen.

In ihrer kleinen Teesammlung fand sie so einiges; Grünen Tee, Süßholz mit Pfefferminz, süßer Bratapfel, Pfefferminz, Kamille, italienische Limone, Husten-Bronchial Tee und ganz hinten in ihrem kleinen Schrank ihren geliebten weißen Tee mit Kirschblüten.

In der Packung war nurnoch ein Teebeutel übrig. Den Tee hat sie mindestens zwei Jahre nichtmehr getrunken und dieser letzte Beutel war ihr heilig. Seit zwei Jahren hatte ihr Supermarkt den weißen Tee mit Kirschblüten nichtmehr im Sortiment. Auch in anderen Supermärkten hatte sie kein Glück. Vielleicht war dieser Beutel der Letzte, der überhaupt existierte.

Der Tee brachte sie zum in Erinnerungen schwelgen. Sie erinnerte sich, wie ihre Freunde damals beim gemeinsamen Weihnachtsfrühstück den Tee probierten und sagten, dass er nichts besonderes sei. Kein Wunder, dass man ihn aus dem Sortiment genommen hat.

Doch für sie war der Tee das Besonderste. Allein, dass sie diese Erinnerung mit dem Tee und ihren Freunden hatte, war kostbar für sie. Damals hätte sie nicht wissen können, wie sehr sie den Tee vermissen würde. Irgendwann würde der Tee vielleicht zurück ins Sortiment kommen, doch dieser Tag war noch lange nicht in Sicht. Sie wusste schon garnicht mehr, wie der Tee schmeckt. Vielleicht war er doch nicht so besonders wie sie ihn in Erinnerung hielt.

Aus dieser Neugierde heraus entschied sie sich, den letzten Beutel zu trinken.

Ein letztes Mal kostete sie, was hätte ewig sein können, es aber nicht war. Der Moment, indem das Wasser ihre Lippen berührte, war ein von Nostalgie ummantelter Moment für sie. Das Aroma war genauso wie damals, nein, sogar süßer. Doch es war kein Süß, dass noch eine Weile blieb um seinen Geschmack zu entfesseln, sondern eins, das nur beim ersten Schluck kurz süß war, wie bei ihrem Süßholztee. Mit jedem Schluck umarmte sie der Tee mütterlich, sodass sie eine Nostalgie verspürte, für das, was mal war. Doch genauso schnell wie das Verwelken der Kirschblüten, die den Tee so einzigartig machten, ließ der Tee sie wieder los.

Gierig trank sie das auf, was einst war. Doch es war nicht der Tee, was sie sehnlichst begehrte, dieser täuschte es nur vor. Es waren ihre Freunde, die sie ebenso verloren hatte wie den Tee gerade. Es waren ihre Freunde, mit denen sie all das erlebte, wonach sie sich gerade sehnte. Doch genauso wie bei dem Tee, wusste sie erst nachdem sie sie verloren hatte, wie sehr sie ihr fehlten.

Mit dieser Erkenntnis setzte sie sich zurück an ihren Schreibtisch. Vor ihr das aufgeschlagene Tagebuch. Sie wusste nun, was sie schreiben solle.

Im Tagebuch stand:

„Schneeflocken fallen, immer weiter weg.

Kirschblüten blühen, der Winter endet

irgendwann.“


Geschrieben von Victoria Porten
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